von Stephan Lücke
New York, Paris, Mailand – das sind die maßgeblichen Städte in Sachen Fashion. Doch auch Tórshavn, die beschauliche Hauptstadt der Färöer-Inseln, ist Modekennern weltweit ein Begriff, denn von dort stammt das angesagte Stricklabel Guðrun & Guðrun. 2006 wurde die Marke von zwei färöischen Frauen gegründet – Designerin Guðrun Ludvig und Geschäftsfrau Guðrun Rógvadóttir. Das Besondere an ihren eigenwilligen Kreationen ist, dass alles noch handgestrickt ist, so wie früher. Der Autor traf eine der beiden Guðruns, Guðrun Ludvig, im Guðrun & Guðrun-Store und sprach mit ihr über Tradition und Zeitgeist, Heimat und Ferne – in Tórshavn.
Bei Euren Kreationen nutzt Ihr gerne den Slogan „Slow Clothing“. Was wollt Ihr damit zum Ausdruck bringen?
Genauso wie man von Fast Food und Slow Food sprechen kann, kann man auch über Fast Clothing und Slow Clothing sprechen. Und die Philosophie unserer Kleidungsstücke ist definitiv Slow Clothing. Jedes unserer Kleidungsstücke ist handgemacht. Das bedeutet, dass Frauen auf den Färöer-Inseln und in Jordanien viele Stunden strickend in ihren Häusern verbracht haben, im wahrsten Sinne des Wortes Zeit in jedes Teil eingearbeitet haben. Das wollen wir mit dem Slogan widerspiegeln.
Wie und wann habt Ihr Euch eigentlich kennengelernt?
Was ist eine längere Geschichte. Vor etwa zehn Jahren schloss ich mein Design-Studium ab und lebte mit meinem damaligen Mann in Dänemark. Ich hatte dort schnell einen tollen Job in einer Modefirma gefunden und war rundherum zufrieden mit meinem Leben. Doch dann entschloss sich mein Ex-Mann dazu, wieder auf die Färöer-Inseln zurückzuziehen. Ich war davon überhaupt nicht angetan, weil das für mich bedeutete, meinen Designer-Job aufgeben zu müssen, den ich sehr liebte. Zurück auf den Färöern gab es für mich erst einmal nichts zu tun. Ich war schon drauf und dran, einen neuen Beruf zu ergreifen, habe dann aber immer häufiger diese interessanten Geschichten gehört über die färöische Stricktradition. Das hat mich immer neugieriger gemacht und mich dazu bewegt, mir in diesem Bereich ein neues Standbein aufzubauen. Ich muss dazu sagen, dass Stricken damals – vor zehn Jahren – auf den Färöern völlig aus der Mode gekommen war. Das war nur etwas für Mütter oder Großmütter, aber nichts für jüngere Frauen. Weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, habe ich angefangen, zu stricken – einfach ein bisschen herumexperimentiert, meiner Fantasie freien Lauf gelassen. Am Ende waren fünf Pullover fertig, bei denen ich die typischen färöischen Strickmuster leicht abgewandelt, weniger dominant und femininer, verarbeitet habe. Ich schickte die Kleidungsstücke an jenen Modeladen, in dem ich früher in Dänemark gearbeitet hatte. Noch am selben Tag rief mich eine meiner früheren Kolleginnen aus diesem Shop an und erzählte mir, dass sie schon alle Pullover verkauft hatte, und dass ich unbedingt noch mehr machen sollte. Ungefähr zur selben Zeit lernte ich die andere Guðrun kennen. Sie stammt auch von den Färöern und war als Geschäftsfrau und Unternehmerin in Dänemark tätig. Sie wusste, dass ich als Designerin auf den Färöern arbeitete und rief mich eines Tages an. Von Anfang an haben wir uns unheimlich gut verstanden. Schon nach kurzer Zeit beschlossen wir, zusammenzuarbeiten und entwickelten die Geschäftsidee, für die unser Unternehmen heute steht.
Lebt Ihr heute beide auf den Färöern?
Nein, die andere Guðrun lebt in Dänemark. Sie hat einen dänischen Ehemann, sie lebt also dort. Aber mit dem Herzen ist sie immer voll und ganz hier den Färöern, wie sie immer betont.
Du aber lebst hier, oder?
Ja genau, ich lebe hier in Tórshavn – mit meinen beiden Söhnen.
Wer von Euch ist bei Guðrun & Guðrun für was zuständig? Wie teilt Ihr Euch die Arbeit?
Guðrun ist eine Geschäftsfrau und kümmert sich um das Finanzielle. Sie reist viel in der Welt herum, besucht unsere Kunden, organisiert unsere Showrooms und kümmert sich um den Webshop. Und ich bin für den kreativen Part zuständig.
Wann habt Ihr eigentlich Euer erstes Kleidungsstück verkauft?
Das war schon kurz nachdem wir anfingen, miteinander zu arbeiten. Guðrun und ich nahmen an einer Modeausstellung in Dänemark teil und japanische Kunden kauften die ersten Kleidungsstücke.
Wann habt Ihr den Store in Tórshavn eröffnet?
Vor etwa fünf Jahren. Wir waren aber erst an einem anderen Ort, der aber schnell zu klein wurde. Mit dem neuen Store in der Fußgängerzone Niels Finsens gøta sind wir sehr zufrieden.
Wie hat sich das Unternehmen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Von Anfang an hat sich die Firma immer weiterentwickelt und ist größer geworden, bis heute. Die Leute sind sehr interessiert an der Story, die hinter Guðrun & Guðun steht, und schätzen es sehr, dass unsere Stücke handgemacht sind. Wir bekommen eine ganze Menge E-Mails und Briefe, in denen sich die Kunden für unsere Produkte bedanken.
Stammen Eure Kunden zum Großteil aus den nordischen Ländern?
Nein, sie kommen aus der ganzen Welt. Wir haben derzeit Showrooms in Mailand, Antwerpen und Berlin – aus diesen Ländern stammt ein Großteil unserer Kunden. Und in Japan sind wir auch sehr erfolgreich.
Aus welchen Materialien werden Eure Produkte hergestellt?
Grundsätzlich verwenden wir nur Bioprodukte. Unsere erfolgreichste Linie, traditionelle Wollpullover, wird zum Beispiel aus hundertprozentiger färöischer Biowolle verarbeitet.
Ist alles handgestrickt?
Das meiste, ja.
Wer macht das?
Hier auf den Färöern haben wir eigentlich in jedem Dorf Frauen, die für uns stricken. Eine Freundin von mir, Jórun, mit der ich früher zusammen in einem Kindergarten gearbeitet hatte, ist Ansprechpartnerin für all unsere Mitarbeiterinnen. Sie selbst ist auch eine sehr gute Strickerin und zeigt den Frauen, wie es geht und auf was wir besonderen Wert legen. Jórun kümmert sich auch um die Qualitätskontrollen. Doch da auf den Färöern nur 47.000 Menschen leben, brauchen wir auch noch Mitarbeiter aus anderen Ländern.
Wie viele Frauen stricken für Euch auf den Färöern?
Etwa 30 bis 40.
Und auch Frauen aus dem Ausland arbeiten für Euch…
Ja genau. Wir haben vor ein paar Jahren ein Frauenprojekt in Jordanien gestartet. Guðrun hatte zuvor an einem EU-Projekt in Jordanien mitgewirkt und zufällig herausgefunden, dass es dort auch eine alte Stricktradition gibt – wie hier auf den Färöern. Doch die Religion der Frauen lässt es nicht zu, dass sie das Haus verlassen, um einer geregelten Arbeit nachzugehen. Doch die Damen, die nun für uns arbeiten, können daheim stricken und weiterhin der Hausarbeit nachgehen. Für sie ist es also unbedenklich, Teil von Guðrun & Guðun zu sein. Grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass Frauen nur dann frei sein und selbstbestimmt sein können, wenn sie ihr eigenes Geld verdienen. Guðrun und ich sind daher sehr froh über diese Zusammenarbeit.
Warst Du selbst auch schon in Jordanien?
Ja, Guðrun und ich waren dreimal dort. Uns ist es sehr wichtig, all unsere Mitarbeiterinnen persönlich mit Namen zu kennen, ihnen in die Augen zu sehen.
Wieviele Jordanierinnen beschäftigt Ihr derzeit?
40 bis 50. Kürzlich haben wir zudem damit begonnen, mit Frauen aus Syrien zusammenzuarbeiten.
Wie lange dauert es eigentlich, bis ein Pullover fertig gestrickt ist?
Das ist schwer zu sagen. Unsere Mitarbeiterinnen sind nahezu stricksüchtig, kann man sagen. Man sitzt daheim und strickt, man entspannt dabei und die Zeit vergeht wie im Fluge. Deswegen kann man eigentlich gar nicht sagen, wie lange es dauert.
Strickst Du auch noch?
Ja, ich stricke auch noch. Meist aber nur Probemuster für neue Kollektionen, keine ganzen Kleidungsstücke.
Wie oft stehst Du eigentlich noch selbst im Store und verkaufst Eure Stücke?
Recht regelmäßig eigentlich. Mir ist es wichtig, mit den Kunden im Kontakt zu bleiben, deswegen bin ich mindestens jeden Freitag im Laden. Ich unterhalte mich dann mit den Kunden, kreiere neue Schaufenster-Installationen und sorge dafür, dass der Store immer interessant und anregend aussieht. Wenn ich an neuen Kollektionen arbeite, bleibe ich aber lieber daheim. Manchmal besuche ich dann auch meine Eltern auf Suðuroy, der südlichsten Insel der Färöer. Meine Mutter kann auch sehr gut stricken und sie gibt mir immer wieder wertvolle Tipps und Anregungen. Meinem Vater helfe ich manchmal, die Schafe zu scheren. Das alles gibt mir Inspiration.
Dein Heimatland, die Färöer-Inseln, spielen also eine wichtige Rolle beim kreativen Arbeiten? Unbedingt. Wenn ich in Tokio oder New York oder sonstwo bin, ist das sehr interessant und inspirierend, aber schon nach relativ kurzer Zeit bekomme ich immer das Gefühl, dass ich wieder zurück möchte in die Ruhe und Abgeschiedenheit der Färöer. Nur hier komme ich richtig zur Ruhe, kann mich fallen lassen. Dann kommen neue kreative Ideen von ganz alleine.
Welche Pläne habt Ihr für die Zukunft?
Natürlich möchten wir, dass die Firma weiter wächst. Kürzlich haben wir ein weiteres Frauenprojekt gestartet, über das wir sehr glücklich sind – diesmal in Peru. Die Frauen in Peru arbeiten mit einem ganz besonderen Material, das es nur dort gibt. Deswegen haben wir entschieden dass die Frauen vor Ort für uns arbeiten sollen – in Peru. Nächsten Monat werde ich dorthin reisen, um zu sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Das, was wir verfolgen, ist wie eine Mission – Frauen helfen Frauen. Des Weiteren planen wir derzeit einen zweiten Laden, und der soll in Tokio eröffnen. Guðrun und ich haben uns regelrecht in das Land verliebt, als wir vor einiger Zeit in Japan an einer Modeausstellung teilnahmen. Einen Guðrun & Guðrun-Store dort zu haben, in Tokio – das wäre ein Traum, der wahr wird. Und dem kommen wir immer näher.
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Stephan Lücke, 33, verliebte sich als Jugendlicher in die Färöer-Inseln, als er von einem damaligen Brieffreund eine Broschüre über das Land zugeschickt bekommen hatte. Fast 20 Jahre sollte es dauern,
bis er den entlegenen Archipel selbst bereisen sollte. Bei dieser Reise im März dieses Jahres ist dieses Interview entstanden. Der Journalist lebt und arbeitet in Kassel.
New York, Paris, Mailand – das sind die maßgeblichen Städte in Sachen Fashion. Doch auch Tórshavn, die beschauliche Hauptstadt der Färöer-Inseln, ist Modekennern weltweit ein Begriff, denn von dort stammt das angesagte Stricklabel Guðrun & Guðrun. 2006 wurde die Marke von zwei färöischen Frauen gegründet – Designerin Guðrun Ludvig und Geschäftsfrau Guðrun Rógvadóttir. Das Besondere an ihren eigenwilligen Kreationen ist, dass alles noch handgestrickt ist, so wie früher. Der Autor traf eine der beiden Guðruns, Guðrun Ludvig, im Guðrun & Guðrun-Store und sprach mit ihr über Tradition und Zeitgeist, Heimat und Ferne – in Tórshavn.
Bei Euren Kreationen nutzt Ihr gerne den Slogan „Slow Clothing“. Was wollt Ihr damit zum Ausdruck bringen?
Genauso wie man von Fast Food und Slow Food sprechen kann, kann man auch über Fast Clothing und Slow Clothing sprechen. Und die Philosophie unserer Kleidungsstücke ist definitiv Slow Clothing. Jedes unserer Kleidungsstücke ist handgemacht. Das bedeutet, dass Frauen auf den Färöer-Inseln und in Jordanien viele Stunden strickend in ihren Häusern verbracht haben, im wahrsten Sinne des Wortes Zeit in jedes Teil eingearbeitet haben. Das wollen wir mit dem Slogan widerspiegeln.
Wie und wann habt Ihr Euch eigentlich kennengelernt?
Was ist eine längere Geschichte. Vor etwa zehn Jahren schloss ich mein Design-Studium ab und lebte mit meinem damaligen Mann in Dänemark. Ich hatte dort schnell einen tollen Job in einer Modefirma gefunden und war rundherum zufrieden mit meinem Leben. Doch dann entschloss sich mein Ex-Mann dazu, wieder auf die Färöer-Inseln zurückzuziehen. Ich war davon überhaupt nicht angetan, weil das für mich bedeutete, meinen Designer-Job aufgeben zu müssen, den ich sehr liebte. Zurück auf den Färöern gab es für mich erst einmal nichts zu tun. Ich war schon drauf und dran, einen neuen Beruf zu ergreifen, habe dann aber immer häufiger diese interessanten Geschichten gehört über die färöische Stricktradition. Das hat mich immer neugieriger gemacht und mich dazu bewegt, mir in diesem Bereich ein neues Standbein aufzubauen. Ich muss dazu sagen, dass Stricken damals – vor zehn Jahren – auf den Färöern völlig aus der Mode gekommen war. Das war nur etwas für Mütter oder Großmütter, aber nichts für jüngere Frauen. Weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, habe ich angefangen, zu stricken – einfach ein bisschen herumexperimentiert, meiner Fantasie freien Lauf gelassen. Am Ende waren fünf Pullover fertig, bei denen ich die typischen färöischen Strickmuster leicht abgewandelt, weniger dominant und femininer, verarbeitet habe. Ich schickte die Kleidungsstücke an jenen Modeladen, in dem ich früher in Dänemark gearbeitet hatte. Noch am selben Tag rief mich eine meiner früheren Kolleginnen aus diesem Shop an und erzählte mir, dass sie schon alle Pullover verkauft hatte, und dass ich unbedingt noch mehr machen sollte. Ungefähr zur selben Zeit lernte ich die andere Guðrun kennen. Sie stammt auch von den Färöern und war als Geschäftsfrau und Unternehmerin in Dänemark tätig. Sie wusste, dass ich als Designerin auf den Färöern arbeitete und rief mich eines Tages an. Von Anfang an haben wir uns unheimlich gut verstanden. Schon nach kurzer Zeit beschlossen wir, zusammenzuarbeiten und entwickelten die Geschäftsidee, für die unser Unternehmen heute steht.
Lebt Ihr heute beide auf den Färöern?
Nein, die andere Guðrun lebt in Dänemark. Sie hat einen dänischen Ehemann, sie lebt also dort. Aber mit dem Herzen ist sie immer voll und ganz hier den Färöern, wie sie immer betont.
Du aber lebst hier, oder?
Ja genau, ich lebe hier in Tórshavn – mit meinen beiden Söhnen.
Wer von Euch ist bei Guðrun & Guðrun für was zuständig? Wie teilt Ihr Euch die Arbeit?
Guðrun ist eine Geschäftsfrau und kümmert sich um das Finanzielle. Sie reist viel in der Welt herum, besucht unsere Kunden, organisiert unsere Showrooms und kümmert sich um den Webshop. Und ich bin für den kreativen Part zuständig.
Wann habt Ihr eigentlich Euer erstes Kleidungsstück verkauft?
Das war schon kurz nachdem wir anfingen, miteinander zu arbeiten. Guðrun und ich nahmen an einer Modeausstellung in Dänemark teil und japanische Kunden kauften die ersten Kleidungsstücke.
Wann habt Ihr den Store in Tórshavn eröffnet?
Vor etwa fünf Jahren. Wir waren aber erst an einem anderen Ort, der aber schnell zu klein wurde. Mit dem neuen Store in der Fußgängerzone Niels Finsens gøta sind wir sehr zufrieden.
Wie hat sich das Unternehmen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Von Anfang an hat sich die Firma immer weiterentwickelt und ist größer geworden, bis heute. Die Leute sind sehr interessiert an der Story, die hinter Guðrun & Guðun steht, und schätzen es sehr, dass unsere Stücke handgemacht sind. Wir bekommen eine ganze Menge E-Mails und Briefe, in denen sich die Kunden für unsere Produkte bedanken.
Stammen Eure Kunden zum Großteil aus den nordischen Ländern?
Nein, sie kommen aus der ganzen Welt. Wir haben derzeit Showrooms in Mailand, Antwerpen und Berlin – aus diesen Ländern stammt ein Großteil unserer Kunden. Und in Japan sind wir auch sehr erfolgreich.
Aus welchen Materialien werden Eure Produkte hergestellt?
Grundsätzlich verwenden wir nur Bioprodukte. Unsere erfolgreichste Linie, traditionelle Wollpullover, wird zum Beispiel aus hundertprozentiger färöischer Biowolle verarbeitet.
Ist alles handgestrickt?
Das meiste, ja.
Wer macht das?
Hier auf den Färöern haben wir eigentlich in jedem Dorf Frauen, die für uns stricken. Eine Freundin von mir, Jórun, mit der ich früher zusammen in einem Kindergarten gearbeitet hatte, ist Ansprechpartnerin für all unsere Mitarbeiterinnen. Sie selbst ist auch eine sehr gute Strickerin und zeigt den Frauen, wie es geht und auf was wir besonderen Wert legen. Jórun kümmert sich auch um die Qualitätskontrollen. Doch da auf den Färöern nur 47.000 Menschen leben, brauchen wir auch noch Mitarbeiter aus anderen Ländern.
Wie viele Frauen stricken für Euch auf den Färöern?
Etwa 30 bis 40.
Und auch Frauen aus dem Ausland arbeiten für Euch…
Ja genau. Wir haben vor ein paar Jahren ein Frauenprojekt in Jordanien gestartet. Guðrun hatte zuvor an einem EU-Projekt in Jordanien mitgewirkt und zufällig herausgefunden, dass es dort auch eine alte Stricktradition gibt – wie hier auf den Färöern. Doch die Religion der Frauen lässt es nicht zu, dass sie das Haus verlassen, um einer geregelten Arbeit nachzugehen. Doch die Damen, die nun für uns arbeiten, können daheim stricken und weiterhin der Hausarbeit nachgehen. Für sie ist es also unbedenklich, Teil von Guðrun & Guðun zu sein. Grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass Frauen nur dann frei sein und selbstbestimmt sein können, wenn sie ihr eigenes Geld verdienen. Guðrun und ich sind daher sehr froh über diese Zusammenarbeit.
Warst Du selbst auch schon in Jordanien?
Ja, Guðrun und ich waren dreimal dort. Uns ist es sehr wichtig, all unsere Mitarbeiterinnen persönlich mit Namen zu kennen, ihnen in die Augen zu sehen.
Wieviele Jordanierinnen beschäftigt Ihr derzeit?
40 bis 50. Kürzlich haben wir zudem damit begonnen, mit Frauen aus Syrien zusammenzuarbeiten.
Wie lange dauert es eigentlich, bis ein Pullover fertig gestrickt ist?
Das ist schwer zu sagen. Unsere Mitarbeiterinnen sind nahezu stricksüchtig, kann man sagen. Man sitzt daheim und strickt, man entspannt dabei und die Zeit vergeht wie im Fluge. Deswegen kann man eigentlich gar nicht sagen, wie lange es dauert.
Strickst Du auch noch?
Ja, ich stricke auch noch. Meist aber nur Probemuster für neue Kollektionen, keine ganzen Kleidungsstücke.
Wie oft stehst Du eigentlich noch selbst im Store und verkaufst Eure Stücke?
Recht regelmäßig eigentlich. Mir ist es wichtig, mit den Kunden im Kontakt zu bleiben, deswegen bin ich mindestens jeden Freitag im Laden. Ich unterhalte mich dann mit den Kunden, kreiere neue Schaufenster-Installationen und sorge dafür, dass der Store immer interessant und anregend aussieht. Wenn ich an neuen Kollektionen arbeite, bleibe ich aber lieber daheim. Manchmal besuche ich dann auch meine Eltern auf Suðuroy, der südlichsten Insel der Färöer. Meine Mutter kann auch sehr gut stricken und sie gibt mir immer wieder wertvolle Tipps und Anregungen. Meinem Vater helfe ich manchmal, die Schafe zu scheren. Das alles gibt mir Inspiration.
Dein Heimatland, die Färöer-Inseln, spielen also eine wichtige Rolle beim kreativen Arbeiten? Unbedingt. Wenn ich in Tokio oder New York oder sonstwo bin, ist das sehr interessant und inspirierend, aber schon nach relativ kurzer Zeit bekomme ich immer das Gefühl, dass ich wieder zurück möchte in die Ruhe und Abgeschiedenheit der Färöer. Nur hier komme ich richtig zur Ruhe, kann mich fallen lassen. Dann kommen neue kreative Ideen von ganz alleine.
Welche Pläne habt Ihr für die Zukunft?
Natürlich möchten wir, dass die Firma weiter wächst. Kürzlich haben wir ein weiteres Frauenprojekt gestartet, über das wir sehr glücklich sind – diesmal in Peru. Die Frauen in Peru arbeiten mit einem ganz besonderen Material, das es nur dort gibt. Deswegen haben wir entschieden dass die Frauen vor Ort für uns arbeiten sollen – in Peru. Nächsten Monat werde ich dorthin reisen, um zu sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Das, was wir verfolgen, ist wie eine Mission – Frauen helfen Frauen. Des Weiteren planen wir derzeit einen zweiten Laden, und der soll in Tokio eröffnen. Guðrun und ich haben uns regelrecht in das Land verliebt, als wir vor einiger Zeit in Japan an einer Modeausstellung teilnahmen. Einen Guðrun & Guðrun-Store dort zu haben, in Tokio – das wäre ein Traum, der wahr wird. Und dem kommen wir immer näher.
___________
Stephan Lücke, 33, verliebte sich als Jugendlicher in die Färöer-Inseln, als er von einem damaligen Brieffreund eine Broschüre über das Land zugeschickt bekommen hatte. Fast 20 Jahre sollte es dauern,
bis er den entlegenen Archipel selbst bereisen sollte. Bei dieser Reise im März dieses Jahres ist dieses Interview entstanden. Der Journalist lebt und arbeitet in Kassel.